Gebührenboykott - Informationen zum Kampf für Gebührenfreiheit an der Universität Hamburg

Alexandra Jäger

Fachschaftsrat Geschichte

ch möchte was zur historischen Bedeutung der Gebührenfreiheit des Studiums sagen. Ich meine, dass sie sich wesentlich erklärt aus der dunkelsten Zeit der Geschichte der Universität und der Wissenschaft, nämlich dem Faschismus. In dieser Zeit haben sich die Wissenschaftler, sehr zahlreich einzelne Wissenschaftler aber auch die gesamte Universität, an der Ausbeutung und Ermordung von Millionen von Menschen beteiligt. Die wissenschaftliche Legitimation der so genannten Rassenlehre zum Beispiel, die Vorbereitung des Vernichtungskrieges durch Wissenschaftler bis hin zur Tötung durch Wissenschaftler bedeutet für uns als Universität, sich gerade mit der Geschichte auseinanderzusetzen und zu analysieren, damit so etwas nie wieder geschehen kann. Auch zu nennen ist das tatenlose Zusehen eines Großteils der Universität bei der Vertreibung und Verfolgung jüdischer Wissenschaftler und kritischer, anders denkender Wissenschaftler. Auf der Potsdamer Konferenz 1945 ist als ein zentraler Punkt die Demokratisierung Gesamtdeutschlands und vor allem des Bildungswesens als Maßnahme, als Lehre aus dem Faschismus genannt worden. Was darauf folgte, war zunächst eine gewisse Entnazifizierung im Bildungsbereich, dann aber doch vor allem in den Fünfzigerjahren eine zunehmende Restauration. Die im Rahmen der Entnazifizierung entlassenen kehrten an ihre Stellen zurück, und somit gab es eine sehr massive Kontinuität an den Universitäten. Eine sehr weit reichende Auseinandersetzung hatte es dann aufgrund der starken Studentenproteste in den Sechzigerjahren zu diesem Thema gegeben. So wurden auch als Lehren aus dieser Zeit klare Maßnahmen erst in den Siebzigerjahren in Reformen umgesetzt. Da ist vor allem zu nennen die soziale Öffnung der Hochschulen, dann die Demokratisierung der Universitäten, das Ordinariat wurde abgeschafft, die Gruppenuniversität, die zumindest teildemokratisch ist, wurde eingeführt, es kehrten endlich emanzipatorische Inhalte in die Wissenschaft zunehmend ein, und die Unabhängigkeit der Wissenschaftler vom unmittelbaren wirtschaftlichen Druck wurde zumindest als Erfordernis erkannt. Als ein zentraler Punkt, der mit diesen anderen Punkten zusammenhängt, ist natürlich die Gebührenfreiheit zu nennen, die von den Studierenden damals erkämpft worden ist. So, und jetzt sollen die Studiengebühren wieder eingeführt werden. Ich meine, dass das bedeutet, mit all diesen Lehren ganz massiv zu brechen. Studiengebühren würden einen massiven Druck auf die Studierenden ausüben, vor allem schnell zu studieren und rentable Fächer zu studieren. Das wird ja auch ganz massiv so von den Studiengebührenvertretern gefordert, dass der Student sich mal überlegt, was er da eigentlich studieren will, womit er Erfolg haben kann und wie er dann auch nachher einen sicheren Job kriegt, um seine Gebühren, seinen Kredit, zurückzuzahlen. Das würde also zum einen heißen, dass sich wahrscheinlich ein Student überlegt: Na ja, soll ich Geschichte studieren oder Kunstgeschichte oder Germanistik, das ist ja nicht ein rentables Fach. Wir kennen da ja auch die Diskussionen, die der Senator in dieser Stadt vorangetrieben hat, um die Kürzung der Geisteswissenschaften. Dass man zunehmend Ingenieurwissenschaften studieren sollte, statt so unrentable Fächer wie Afrikanistik. Das heißt zum ersten schon mal, dass die geisteswissenschaftlichen Fächer, die sich eben auch mit der Geschichte und mit der Analyse der gesellschaftlichen Zusammenhänge und der sozialen Situation auseinandersetzen, das zum Teil auch kritisch tun, weniger studiert würden und wahrscheinlich die unmittelbar verwertbareren Fächer stärker studiert werden würden. Zum anderen heißt das auch, das ist ja hier auch schon mehrfach angeklungen, dass sich eben nicht mehr so stark an der Demokratie in der Universität, in der Selbstverwaltung beteiligt werden könnte. Eben auch das ist ein Bruch mit den Lehren aus dem Faschismus. Dass man dem entgegenwirken kann, wenn sich alle an der Universität an der Fortentwicklung von Wissenschaft beteiligen und dieses dann auch wirklich breit diskutiert wird. Wir hatten im letzten Jahr den 60. Jahrestag der Wiedereröffnung der Universität. Es gab dazu auch eine Diskussion des akademischen Senats, der gesagt hat, die Universität will sich als Lehre aus dem Faschismus nie wieder Einzelinteressen unterordnen. Ich meine, dass man diesen Beschluss sehr ernst nehmen muss. Und beim Antifaschismus, meine ich, kann man keine Kompromisse machen, das heißt, wenn alle hier Anwesenden diese Lehren ernst nehmen, kann man auch nicht an diesem Gesetz irgendwie herumdoktern und gucken, dass es irgendwie vermeintlich sozial verträglich wäre oder so, sondern das Studium muss gebührenfrei bleiben. Das hier ist der einzige Weg, damit es überhaupt demokratischer werden kann und damit so etwas nie wieder geschehen kann. (Beifall aus dem Publikum)


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http://www.gebuehrenboykott.de/artikel_38.html [Stand 15. Mai 2006]