In gerade einmal sechs von 16 Bundesländern wurden allgemeine Studiengebühren eingeführt und in einem dieser Länder schon wieder abgeschafft. Die hessischen Studierenden haben im vergangenen Jahr die vollständige Abschaffung aller Studiengebühren erkämpft und damit eine bildungspolitische Richtungsumkehr eingeleitet. Vorangegangen war diesem Erfolg intensive studentische Aufklärungsarbeit gegen die Marktförmigkeit der Bildung. Mit Vollversammlungen, Demonstrationen, Besetzungen, Streiks, Widersprüchen, Klagen und Gebührenboykott wuchs die Solidarität. Zigtausende Hessen konnten zur Beteiligung an einer Verfassungsklage bewegt werden. Denn die hessische Landesverfassung verbietet Bildungsgebühren. Kurz nach dem Ende des 2. Weltkrieges und der Befreiung vom Faschismus wurde sie in einer Volksabstimmung mit breiter Mehrheit in der Überzeugung beschlossen, das Alle sozial unbedrängt lernen und klüger werden müssen für die Schaffung einer friedlichen, sozialen und menschengerechten Gesellschaft. Auf diesem Fundament gelang es den hessischen Studierenden im Bündnis mit Gewerkschaften und anderen sozial-fortschrittlichen Kräften auch im Parlament eine Mehrheit für die Gebührenfreiheit zu schaffen und LINKE, SPD und Grüne zur Zusammenarbeit zu bewegen. Die Gebühren fielen - der rechten Landesregierung unter CDU-Ministerpräsident Koch zum Trotz.
In Hamburg werden ähnliche Kämpfe geführt. Auch ist die politische Konstellation nicht prinzipiell verschieden von der in Hessen letztes Jahr. Die Abschaffung der Studiengebühren ist also jederzeit möglich. Politisch schlingert der schwarz-grüne Senat zudem durch die Krise. Das für echte Verbesserungen für die Bevölkerung erforderliche Geld ist längst den Anlegern der HSH-Nordbank versprochen, soll für einen überflüssigen und ungewollten Uni-Umzug herhalten oder würde einfach in Hafen-U-Bahn oder Elbphilharmonie verschwinden, wenn die Richtung nicht umgekehrt würde. In dieser Situation ist erst recht gar nicht mehr einsichtig, warum die Studierenden sich verschulden oder die Studiengebühren abknapsen sollen, anstatt das studentische Leben im Grindelviertel - auch zur Freude von Buchhändlern und Kneipenwirten - zu entfalten. Insofern kommt es vor allem auf eine bewußt kritische Alternative zur erstarrten Senatspolitik an.
Die Urabstimmung über die Studiengebühren ist die lebendige Mitgliederuniversität: Sie ist argumentative Verständigung und Erkenntnis für bessere Lebensbedingungen und somit ein eindeutiges Kontra zum Ware-Konsument-Verhältnis, das die Studiengebühren zwischen den Hochschulmitgliedern etablieren sollen. Nicht durch die Studiengebühren werden die Hochschulen kritischer und demokratischer, entwickeln die Wissenschaften befriedigende oder auch nur bessere Antworten auf drängende Fragen unserer Zeit oder werden die Studierenden klüger, wohl aber durch gebührenfreie Bildung und die Kämpfe dafür.
Die Befreiung (nicht nur) von den Studiengebühren kann also nur durch solidarische Selbstorganisierung der Studierenden gelingen. Die studentische Urabstimmung für die Gebührenfreiheit des Studiums vom 12. - 14. Mai und der darauffolgende bundesweite Bildungsstreik sind Meilensteine für den erforderlichen Politikwechsel und eine Erneuerung solidarischer studentischer Kultur.