Die Universität Hamburg ist eine große Universität und will dies auch bleiben. Zum einen ist der gesellschaftliche Bedarf an wissenschaftlicher Qualifikation für möglichst viele Menschen hoch und wird weiter steigen. Zum anderen liegt in der nur aufgrund der Größe der Universität realisierbaren außerordentlichen Fächervielfalt und den damit geschaffenen interdisziplinären Kombinations- und Kooperationsmöglichkeiten eine besondere Stärke der Universität Hamburg.
Die damit notwendigerweise verbundene Komplexität der Aufgaben in Lehre, Forschung und Verwaltung stellt die Universität gleichzeitig immer wieder vor enorme Herausforderung, die eine engagierte Kooperation aller Universitätsmitglieder erfordern. Die Universität nimmt die Hamburger Sonderauswertung der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks zum Anlaß, den Schwierigkeiten des Studienalltages aus studentischer Sicht genauer nachzugehen, um die Studienbedingungen zu verbessern.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß viele der Probleme ohne eine deutliche Überschreitung der chronischen und drastischen Unterfinanzierung der Universität nicht zu lösen sein werden. Auch werden die Anstrengungen der Universität durch manche der in den letzten zwei Jahren vom Hamburger Senat - mehrfach gegen die explizite Haltung der Universität – beschlossenen gesetzlichen Maßnahmen keineswegs erleichtert.
Die erhobenen Daten für den Studienstandort Hamburg beziehen sich auf eine Stichprobe von N=677 Studierenden der Universität Hamburg, der HAW, der HWP, der HbK, der HfMT, der TU Hamburg-Harburg sowie der Bucerius Law School. Die so ermittelten Werte haben deshalb auf die Universität Hamburg bezogen nur eingeschränkte Aussagekraft.
Die Werte für die Universität Hamburg (N=450) sind in den Text des Studentenwerks eingefügt worden und durch Heraushebung gekennzeichnet.
Nach derzeitigem Informationsstand liegen aktuelle Sonderauswertungen derzeit von folgenden Hochschulregionen vor: Nordrhein-Westfalen, Dortmund, Ulm. Eine Sonderauswertung für Berlin ist in Vorbereitung.
Hamburger Studierende sind mit einem Alter von durchschnittlich 27,0 Jahren (UniHH 26,6) deutlich älter als Studierende im Bundesdurchschnitt (25,2 J.). Die studentische Lebenswelt in Hamburg zeigt hierdurch eine Reihe von sich gegenseitig bedingenden Besonderheiten: Hamburger Studierende sind im Vergleich zu den bundesweiten Ergebnissen überdurchschnittlich häufig verheiratet (Bund: 6,7 / HH: 11,4 / Uni HH 9,5 %), haben wesentlich häufiger Kinder zu betreuen (6,3 / 9,5 / 9,1 %), sind häufiger berufstätig (72,4 / 77,8 / 76,3 %) und leben häufiger in der eigenen Wohnung (43,2 / 53,9 / 53,2 %). Ein vergleichsweise größerer Anteil von Studierenden verfügt vor Studienbeginn bereits über eine Berufsausbildung.
1.1 Erläuternde Anmerkungen
Bei der Interpretation sind u.a. folgende Besonderheiten zu berücksichtigen:
– hohe Zulassungsbeschränkungen für die überwiegende Zahl der Studiengänge führen zu längeren Wartezeiten auf einen Studienplatz
– der Anteil der Studienunterbrecher/innen und Studienwechsler (siehe 4.) ist deutlich höher
– Auswirkungen des besonderen Hochschulzugangs für Berufstätige erhöhen den Anteil älterer Studierender
1.2 Mögliche Maßnahmen
Die im Vergleich zum Bundesdurchschnitt unterschiedliche demographische Zusammensetzung der Studierendenschaft in Hamburg stellt an sich kein Problem dar, erfordert jedoch die Berücksichtigung der speziellen Lebensbedingungen älterer Studierender in der Studienorganisation. So ist beispielsweise eine Verbesserung der Situation von Studierenden mit Kindern durch Ausweitung von kurzzeitig verfügbarer Kinderbetreuung während Studienveranstaltungen und Regelungen zur Berücksichtigung von mit Kinderbetreuung verbundenen Bedingungen insbes. bei Prüfungen notwendig. Die Lage berufstätiger Studierender erfordert eine besondere Flexibilität in der Studienorganisation (siehe 5.). Was die langen Wartezeiten auf einen Studienplatz angeht, so ist dem nur durch Ausweitung der Kapazitäten Abhilfe zu schaffen.
Betrachtet man die Gesamtheit der Studierenden in Hamburg nach ihrer sozialen Herkunft, so zeigt sich eine Ungleichverteilung zugunsten "gehobener" und "hoher" Herkunftsgruppen: Während aktuell im Bundesdurchschnitt lediglich 12,0 /UniHH 9,2 % der Studierenden aus der "niedrigen" Herkunftsgruppe und weitere 26,6/ 25,4 % aus der "mittleren" Herkunftsgruppe kommen, sind dies bei der "gehobenen" Gruppe 24,6 / 25,0 % und bei der "hohen" Gruppe 36,8/40,4 %. In Hamburg hat sich seit 2000 die Verteilung zugunsten der "höheren" und zuungunsten der "niedrigen" sozialen Herkunftsgruppe stärker als im Bundesdurchschnitt verschoben.
2.1 Erläuternde Anmerkungen
Die deutlich werdende Zugehörigkeit der Studierenden der Universität zu den höheren sozialen Herkunftsgruppen kann nicht mit Hinweis auf eine entsprechend höhere Anteilsverteilung innerhalb der Hamburger Bevölkerung erklärt werden. Offizielle Vergleichsdaten des Statistikamtes Nord liegen nicht vor, die Aufschluss über die Verteilung der Hamburger Bevölkerung bezogen auf die gewählten Kategorien sozialer Herkunft geben würden. Es gibt keinen begründeten Anlass, der folgenden Interpretation der Autoren der Sozialerhebung zu widersprechen. "Die Ursachen für diesen Trend sind nicht allein auf das insgesamt gestiegene Bildungsniveau der Bevölkerung zurück zu führen, sondern müssen auch in einer zunehmenden Selektivität beim Zugang zu höherer Bildung gesehen werden, …" Studierende der Universität sowie Studierende der "niedrigen" Herkunftsgruppe machen sich deutlich häufiger Sorgen bezüglich einer künftigen Verschuldung.
2.2 Mögliche Maßnahmen
– Einer weiter zunehmenden Ungleichverteilung kann nur durch ein ausgewogenes, bedarfsdeckendes Studienfinanzierungssystem begegnet werden.
– Studiengebühren gleich welcher Art verstärken die soziale Selektion, auch dann, wenn sie darlehensfinanziert sind, da durch sie Studierende der "niedrigen" Herkunftsgruppen vom Studium abgeschreckt werden. Die Universität lehnt die Einführung von Studiengebühren ab.
– Studienzugangsmöglichkeiten ohne Abitur bzw. mit besonderer Hochschulzugangsberechtigung sind weiterhin zu ermöglichen
3. Mehr längere Zeit Studierende
Zwar ist die Zahl der längere Zeit Studierenden (im 13. und höheren Hochschulsemester eingeschrieben) in Hamburg erstmalig seit Mitte der 90er Jahre wieder auf 23,3 (UniHH 23,5) % gesunken (-1,6 Prozentpkt.). Der Anteil liegt jedoch noch deutlich über dem Bundesdurchschnitt (16,7 %).
3.1 Erläuternde Anmerkungen
Es ist anzunehmen, dass die Gründe für ein längeres Studium von heute - angesichts zunehmend restriktiver Regelungen zur Studiendauer - zum Studienabbruch von morgen führen werden. Grundsätzliche studentische Problemstellungen, die gegenwärtig ein längeres Studium bedingen, werden durch aktuelle Studienreformen (Bachelor/Master, Studierendenauswahl) nicht reduziert, deshalb wird die Einführung verbindlicher Regelungen zur Studienzeit in Grund- und Hauptstudium bzw. in Bachelor und Master vielen Studierenden einen Studienabschluss unmöglich machen. Was die Auswirkungen der Einführung der Gebühren für längere Zeit Studierende angeht, so bildeten diese sich zum Erhebungszeitpunkt der 17. Sozialerh. noch nicht ab. Sie sind aber universitätsintern erkennbar: studierten im Sommersemester 2004 noch 19,2 % der Studierenden der Universität seit mindestens 13. Semestern, so sank dieser Prozentsatz im darauffolgenden Wintersemester auf 12,3 %.
3.2 Mögliche Maßnahmen
Es ist das Ziel der Universität längere Zeit Studierenden einen Abschluss zu ermöglichen, nicht sie zum Studienabbruch zu nötigen. Deshalb lehnt die Universität die Einführung von Gebühren für längere Zeit Studierende ab. Solange die Pflicht zur Zahlung von Studiengebühren durch §6 Absätze 7 und 8 HmbHG vorgeschrieben ist, wird sie diese so gestalten, dass die Möglichkeit zu studieren nicht durch soziale, persönliche, wirtschaftliche oder sonstige wichtige Gründe verhindert wird.
Die in der letzten Zeit in zahlreichen Studienordnungen eingeführten restriktiven Regelungen zur Studiendauer sind in diesem Zusammenhang kritisch zu betrachten. Entscheidend ist die Sicherstellung eines differenzierten Beratungsangebotes (Fachberatung , Allgemeine u. Psychologische Beratung, Studienausgangsberatung) vor Studienbeginn und während des Studiums. Oftmals ist die lange Verweildauer an der Universität durch Mängel in der Studienorganisation begründet, die nur durch eine Überschreitung der chronischen und drastischen Unterfinanzierung der Universität zu verbessern sind.
In Hamburg haben 24,2 (UniHH 22,3) % der Studierenden bereits das Hauptstudienfach und/oder die Form des Abschlusses gewechselt. Im Bundesdurchschnitt lag dieser Durchschnitt deutlich niedriger, bei 20,9%.
Wenn das Fach und/oder der Abschluss gewechselt wurde, hatten die Studierenden in Hamburg durchschnittlich bereits seit 4,0 /3,9 Semestern studiert. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (3,3 Sem.) liegt die Anzahl der Semester vor dem Wechsel in Hamburg um 0,7 Semester, d.h. um 18 Prozent, höher.
Nahezu jeder vierte Hamburger Studierende (23,5 / 21,5 %) hat offiziell (mit Abmeldung) oder inoffiziell (ohne Abmeldung an der Hochschule) bereits zwischenzeitlich das Studium unterbrochen. Auch mit dieser Ziffer liegt der Studienstandort Hamburg im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (16,4 %) um 7,1 Prozentpunkte vorn.
Geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf Studienwechsel und Studienunterbrechung sind nicht festzustellen.
4.1 Erläuternde Anmerkungen
– Die Universität hat ihren Studierenden durch administrative Maßnahmen bewußt eine zeitlich begrenzte Studienunterbrechung auf begründeten Antrag (mit anschließender Wiedereinschreibung) ermöglicht. Dennoch liegen die Zahlen der Universität in Bezug auf Studienunterbrechung unterhalb des Hamburger Durchschnitts.
– Hohe Zulassungsbegrenzungen in der Mehrzahl der Studiengänge haben zu vorübergehenden Zulassungen in leichter zugänglichen Parkstudiengängen mit anschließendem Wechsel geführt.
– An der Universität ist der Wechsel innerhalb fachverwandter Studiengänge mit unterschiedlichem Abschluss (von Magister/Diplom zum Lehramt) nennenswert verbreitet.
– Die überdurchschnittlich hohe Erwerbstätigkeit Hamburger Studierender ist mitverantwortlich für Studienunterbrechungen.
4.2 Mögliche Maßnahmen
– Die Orientierung und Information für Studieninteressierte im Vorfeld der Studienentscheidung ist zu verbessern und durch entsprechende Ressourcen auszustatten.
– Modelle für alternative Zugänge zum Studium mit aufgeschobener Studienentscheidung sind zu erproben (Universitäts-Colleg).
– Die administrative Möglichkeit, begründet das Studium zeitlich begrenzt unterbrechen zu können, ist zu erhalten
– Dass Studierende sich aufgrund der Zulassungsbegrenzungen nicht von Beginn an im Studienfach ihrer ersten Wahl immatrikulieren können, ist nur durch eine Ausweitung der Kapazitäten zu verändern.
– Es bedarf für die Universität verlässlicher Studienverlaufsstatistiken und qualitativer, fächerbezogener Untersuchungen zu Studienunterbrechungs- und abbruchsgründen.
Hamburger Studierende sind häufiger regelmäßig erwerbstätig als im Bundesdurchschnitt. Dies gilt sowohl für laufende Erwerbstätigkeit in der vorlesungsfreien Zeit (46,3 %) als auch während der Vorlesungszeit (48,7 %). Für den Bundesdurchschnitt betragen die Zahlen (38,1 %. außerhalb und 38,9 % innerhalb der Vorlesungszeit).
Eigene Erwerbstätigkeit dient Hamburger Studierenden stärker als im Bundesdurchschnitt (Bund 58,8 / HH 72,0 %.) zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts. Für das studentische Finanzbudget, zusammengesetzt aus allen Bezugsquellen gilt: höheren Ausgaben am teuren Studienstandort Hamburg (838 Euro) stehen höhere Einnahmen (858 Euro) gegenüber, die jedoch für deutlich erhöhte Aufwendungen für Miete und Ernährung ausgegeben werden (Ausgaben/Einnahmen Bund: 763 / 767 Euro).
In Hamburg hat der Zeitaufwand für das Studium gegenüber 2000 um 2,4 auf 32,1 /UniHH 32,6) Stunden abgenommen. Parallel hierzu investieren Studierende durchschnittlich noch 9,9 /9,3 Stunden (-2,1 Std.) für eine Erwerbstätigkeit.
Per Saldo haben Studierende eine 42 / 41,9 Stunden-Woche, und somit eine umfassendere "Arbeitswoche", als die durchschnittlichen tariflichen 38,5 Wochenstunden bei Arbeitnehmern. Diese Entwicklungen entsprechen dem allgemeinen Bundestrend.
Das Studium wird heute von mehr als jedem Zweiten nicht mehr als Mittelpunkt des Lebens betrachtet - andere Lebensbereiche sind gleichrangig oder gar wichtiger. Für 45 % aller Studierenden in Hamburg und 47 % der Studierenden im Bundesvergleich ist das Studium Mittelpunkt fast aller Interessen und Aktivitäten. Bemerkenswert die höhere zentrale Gewichtung, die 49,2 % der Studierenden der Universität Hamburg ihrem Studium beimessen.
Diese Ergebnisse sind jedoch kein Hinweis darauf, dass die Studierenden ihr Studium an sich vernachlässigen. Es scheint vielmehr ein Paradigmenwechsel eingetreten zu sein, bei dem das Studium und andere Lebensinhalte gleichbedeutend geworden sind. Das Studium ist immer noch wichtig, aber nicht mehr das Wichtigste im Leben vieler Studierender.
5.1 Erläuternde Anmerkungen
– es ist anzunehmen, daß individuelle Einschätzungen entsprechend der Angehörigkeit zu Studiengängen mit unterschiedlichen Anforderungs- und Strukturprofilen differieren
– die Einschätzung der subjektiven Stellenwerts des Studiums wird durch das hohe Ausmaß an notwendiger Erwerbstätigkeit während und außerhalb der Vorlesungszeit mitbestimmt.
5.2 Mögliche Maßnahmen
– Einführung eines ausgewogenen, bedarfsdeckenden Studienfinanzierungsmodells (auch im Hinblick auf die Vollzeit-Studienstruktur im Rahmen des Bachelor/Master Systems)
– Einführung der Option eines Teilzeitstudiums (In diesem Zusammenhang ist die HmbHGRegelung, nach der Studierende mindestens 50 % ihrer Arbeitszeit für das Studium aufwenden müssen, als problematisch zu betrachten)
– Entwicklung von e-learning Studienstrukturen
Hamburger Studierende haben einen deutlich höheren Bedarf an Beratung und Information als im Bundesdurchschnitt und in den genannten Hochschulregionen.
Der größte Beratungsbedarf innerhalb der letzten 12 Monate betraf die Themen Krankenversicherung (Bund 26,2 / UniHH 28,4 %), Studium und Erwerbstätigkeit (19,8 / 27,2 %), Finanzierung des Studiums (23,3 / 24,3 %), Finanzierung von Auslandsaufenthalten (23,5 /22,8 %), Lern- und Leistungsprobleme (16,3 /18,7 %), Prüfungsangst (13,6 / 14,6 %), psychische Probleme (13,8, / 16,5 %), Studium und Kind (3,8 / 5,5 %), sowie Behinderung und chronische Krankheit (2,1 / 2,6 %).
Besonders auffällig: Bei Personen mit Lern- und Leistungsproblemen und Beratungsbedarf haben Bund 53,0 / UniHH 60,7 % kein Beratungsangebot wahrgenommen. Beim Thema Prüfungsangst waren es 46,7 / 54,4 % sowie bei psychischen Problemen 38,9 / 23,2 %. Zudem bestehen Lücken im Beratungsnetz: 9,7 / 8,8 % der Studierenden mit Beratungsbedarf hatten erst keinen richtigen Ansprechpartner innerhalb oder außerhalb der Hochschule finden können. Von den Nutzern/innen der Beratung erhalten die Angebote der psychologischen Beratung der Universität die besten Noten.
6.1 Erläuternde Anmerkungen
– Weitere Erhebungen des Deutschen Studentenwerks zu Service- und Beratungsangeboten für Studierende unterstreichen die Bedeutung einer integrierten Beratungskette im Studienprozess für den persönlichen Studienerfolg: von orientierenden Angeboten vor Studienbeginn, von allgemeiner und Fachstudienberatung sowie von einer Studienausgangsberatung.
– In konkreten Zahlen veranschaulicht: aktuell betrachten sich beispielsweise rund 7.500 Studierende der Universität als beratungsbedürftig in ihren Lern- und Leistungsproblemen. Ca. 4.400 nehmen aus verschiedenen Gründen keine Beratung in Anspruch, fast 400 von ihnen wissen nicht, an wen sie sich mit ihrem Anliegen wenden könnten.
– Vor dem Hintergrund vergleichsweise seltener Nennungen ist der Beratungsbedarf innerhalb der Zielgruppen "Studium und Kind" sowie "Behinderung und chronische Krankheit" dennoch dringlich und nicht zu vernachlässigen.
– Der vergleichsweise hohe Bedarf an Beratung sowie die besorgniserregende Realisierungslücke bei der Wahrnehmung notwendiger professioneller Unterstützung spiegeln die Rahmenbedingungen einer unterausgestatteten, zersplitterten Massenuniversität wider - z. B. unzureichende Betreuungsmöglichkeiten für die einzelnen Studierenden, abschreckende Unübersichtlichkeit der Institution, unzureichende, nicht am Bedarf ausgerichtete Ressourcen, fehlende Einsicht in die Notwendigkeit studien- und lehrunterstützender Beratungsmaßnahmen für den Studienerfolg.
6.2 Mögliche Maßnahmen
– es besteht ein dringender Bedarf zur Integration der verschiedenen Beratungsangebote an der Universität auf zentraler Ebene
– die orientierende Beratung vor Studienbeginn muss in Abstimmung von Allgemeiner und Fachberatung und in Zusammenarbeit mit den Schulen ausgebaut werden.
– ein bedarfsgerechtes psychologisches Beratungsangebot auf zentraler Ebene ist sicherzustellen
– es bedarf auf zentraler oder dezentraler Ebene eines institutionalisierten Beratungs- und Serviceangebotes zum Studienausgang und zur Berufseinmündung
Die Hamburger Sonderauswertung der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks zeigt deutlich, daß das alte Vorurteil vom "Elfenbeinturm Universität" zumindest aus studentischer Sicht mit der heutigen Realität nichts zu tun hat. Die Studierenden sind - in Hamburg sogar in besonderer Weise - vielfach in das soziale Leben der Stadt integriert. Ein Nebeneinander von Studium und Berufstätigkeit ist Normalität, ein späteres Studium nach einer ersten Phase der beruflichen Tätigkeit kommt zunehmend vor. Hier wird das häufig diskutierte Schlagwort vom "lebenslangen Lernen" praktischer Alltag. Für die Universität ist diese Entwicklung im Prinzip begrüßenswert, sie muß sich aber in ihrer Studienorganisation noch stärker darauf einstellen.
Auch wird klar, daß die Studierenden keineswegs in der sozial privilegierten Situation sind, die ihnen in der öffentlichen Diskussion oftmals zugemessen wird. Das "Faulenzer"-Image, von Studierenden im allgemeinen und von längere Zeit Studierenden im besonderen hat statistisch keine Grundlage. Vielmehr sind die Studierenden - gerade in Hamburg - in hohem Maße selbständig und realisieren ihr Studium trotz vielfacher Schwierigkeiten.
Die Universität sieht sich in der Pflicht, immer wieder neu gute Bedingungen für die Realisierung ihres Bildungsauftrages zu schaffen. Das heißt auch, politischen Vorgaben, die diesem Ziel entgegen stehen, kritisch entgegenzutreten.
"Bildung mündiger Menschen: Ihren Bildungsauftrag sieht die Universität in der Entwicklung von Sachkompetenz, Urteilsfähigkeit und der Fähigkeit zu argumentativer Verständigung auf wissenschaftlicher Grundlage. Für alle Menschen will sie ein Ort lebenslangen Lernens sein und ein öffentlicher Raum der kulturellen, sozialen, und politischen Auseinandersetzung."
Leitbild der Universität, 1998.