Ein Modell ist ein Modell ist ein Modell

Über die Einfalt der vielfältigen Studiengebührenmodelle

FAZ: „Aber Ihr Programm ist staatlich finanziert. Jetzt entsteht ein privates Angebot. Das sollte Vorrang haben und Raum bekommen, sich zu entwickeln.“
Reich (KfW): „Der KfW-Studienkredit funktioniert und startet völlig ohne Bürgschaften oder Zuschüsse des Bundes. Auch der Zins wird sich am Kapitalmarkt entwickeln und ist nicht subventioniert. Damit wird kein privates Angebot beeinträchtigt. Im Gegenteil, der KfW-Studienkredit unterstützt die Entwicklung vielfältiger weiterer Angebote, die ja alle seit unserer Initiative angekündigt werden: ob aus der Wirtschaft, dem Stiftungswesen oder von anderen Banken. Nicht umsonst haben die großen Wirtschaftsverbände unser Engagement so begrüßt.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.03.2005

Als Stimmungsmache für die Einführung von Studiengebühren dient nicht nur die demagogische Hetze gegen uns Studierende als „privilegierte Schmarotzer“ sondern auch die von Gebührenbefürwortern gebetsmühlenartig wiederholte Behauptung, Studiengebühren könnten sozial verträglich ausgestaltet werden. Offenbar ist die Erkenntnis, daß wir Studierende keine sonderlich wohlbetuchte Bevölkerungsgruppe sind (ca. 80% der Studierenden der Universität Hamburg müssen für den eigenen Lebensunterhalt arbeiten), weit verbreitet. Aus diesem Grunde entwickeln die Befürworter allgemeiner Studiengebühren fleißig Modelle, mit denen man so tun kann, als versetze man uns in die Lage, Gebühren zu bezahlen. Zwar sind theoretisch auch Stipendien als finanzielle Unterstützung sozial benachteiligter Studierender im Gespräch, allerdings werden diese deutlich weniger vehement als Möglichkeit vertreten, da ein Stipendienwesen maximal ausgewählte Studierende fördern könnte, für eine umfassende Förderung jedoch niemals ausreichen würde.

Das zentrale Modell darlehensfinanzierter Studiengebühren ist das sogenannte Studienkreditmodell der Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW), ein staatliches Kreditinstitut. Schon kurz nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil, das das bundesgesetzliche Verbot allgemeiner Studiengebühren mit dem Hinweis auf die Länderhoheit aufhob, schlug Hans W. Reich (seines Zeichens KfW-Chef) ein Modell vor, nach dem alle Studierenden eine elternunabhängige Bezuschussung (sowohl für die Gebühren als auch zusätzlich zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten) auf Kreditbasis erhalten könnten. Dieses Geld muß dann später zurückgezahlt werden – vorausgesetzt natürlich man verdient ausreichend. Die Zinsen von 5,1% sollen dazu dienen, die zu erwartenden Rückzahlungsausfälle (z.B. durch Arbeitslosigkeit) zu kompensieren. Prompt haben auch etliche private Kreditinstitute Interesse bekundet, ein eigenes Darlehensangebot auf den Markt zu werfen, wenn sich der Staat bereit erklärt, für die Ausfälle zu bürgen[1]. (Hier pochen die vor dem Verfassungsgericht siegreichen Länder übrigens nicht auf ihre Hoheit in Bildungsangelegenheiten.) Letzteres würde in der Konsequenz bedeuten, daß der Steuerzahler dafür herangezogen wird, daß privatwirtschaftliche Banken abgesichert durch den Staat ordentlich Profit machen können. Hier wird deutlich, daß der Vorstoß der KfW in erster Linie als Türöffner für Privatbanken zu sehen ist.

Doch auch beim reinen KfW-Modell sieht es nicht viel besser aus. Das Kapital der KfW kommt vom Staat und damit von den Steuerzahlern. Da die Hauptlast der Steuereinnahmen beim Mittelstand liegt, würde dieser durch die Einführung eines solchen Modells massiv zusätzlich belastet werden (von den ALG II-Empfängern ist nichts mehr zu holen, also wird die nächst niedrige Schicht zur Kasse gebeten).

Auch Unipräsident Jürgen Lüthje schlägt in eine ähnliche Kerbe, da er das Geld, von dem die Studiengebühren bezahlt werden sollen, bei denen holen will, die sowieso schon zu wenig haben. Denn er fordert, daß Familienunterstützung wie z.B. das Kindergeld oder die steuerlichen Vergünstigungen nicht mehr an die Eltern fließen möge, sondern direkt an die Studierenden zur Finanzierung der Studiengebühren.

Es ist also weder untertrieben noch Polemik, zu behaupten, die Einführung von Studiengebühren bedeutete eine massive Umverteilung von unten nach oben. Die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen sollen aufkommen für die Investition in die Wissenschaftsinstitutionen als Standortfaktoren. Die sozialdemagogische Hetze gegen den „Schmarotzer Studenten“ dient also in Wirklichkeit der Verschleierung der wahren Absichten der Gebührenbefürworter: größere Profite auf Kosten aller anderen.

Während von der Befürworterseite immer wieder auf Länder verwiesen wird, in denen vermeintlich erfolgreich ein funktionierendes Gebührenmodell eingeführt worden ist bzw. schon länger existiert, werden andere tatsächlich funktionierende Gegenbeispiele natürlich gerne verschwiegen: In den skandinavischen Ländern z.B. gibt es keine Studiengebühren, statt dessen existieren aber elternunabhängige Studierendenförderungen auf Darlehensbasis - zumeist zinslos bis zu einem gewissen Höchstsatz, der bei Bedarf durch niedrigverzinste Darlehen noch aufgestockt werden kann.[2]

Bildung und Wissenschaft bleiben gesellschaftliche Aufgaben. Als solche müssen sie auch solidarisch finanziert werden. Hierzu bedarf es aber eines Steuersystems, das das Geld dort eintreibt, wo es tatsächlich vorhanden ist, nämlich bei großen Vermögen und v.a. bei den Konzernen, die sich bislang erfolgreich und von der Politik mehr als geduldet vor ihrer Steuerverantwortung drücken konnten. Dies wäre ein erster Schritt zu einer Gesellschaft, in der wissenschaftliche Erkenntnisse und Bildung nicht mehr Profiten einzelner dienen, sondern Wissenschaft zum Nutzen aller betrieben wird, und Bildung der höheren Einsicht in die eigenen Lebensbedingungen dient, mit dem Ziel, diese zu verbessern.

Dazu ist allerdings notwendig, nicht alles zu glauben, was einem die Vordenker einer neoliberalen Gesellschaftsordnung erzählen. Geld ist genug da, es muß nur sinnvoll verteilt werden!

[1] Daß die zu erwartenden Zinseinnahmen für die Ausfälle nicht ausreichen würden, wird am Beispiel der australischen Studiengebühren deutlich. Dort existiert ein sehr ähnliches System, das zu einer deutlich erhöhten Staatsverschuldung geführt hat.

[2] In Norwegen z.B. erhalten Studierende ein zinsloses staatliches Darlehen von maximal 540€ monatlich als Bezuschussung. Die Quote der derart Geförderten beträgt ca. 69% der norwegischen Studierenden.