Olaf Walther, studentisches Mitglied im Akademischen Senat der Uni Hamburg

Guten Tag. Ich komme gerade von einer Veranstaltung am Kaiser-Friedrich-Ufer, wo auch Ihre Kollegin Frau von Welck ein Grußwort hatte. Es werden dort die verbotenen und verbrannten Dichter gelesen. Diese Veranstaltung findet bis 24 Uhr statt, wo ich jetzt auch alle dazu auffordern möchte, als Lehrveranstaltung da hinzugehen. Einer dieser verbrannten Dichter war Heinrich Heine. Auch er hat sich nicht nur um Blumen, Rosen, Schönheit und Lust Gedanken gemacht, sondern auch über Zinsen. Er sagte in seiner Lutetia, 1855:
„Es ist alles still. Wie in einer verschneiten Winternacht. Nur ein leiser monotoner Tropfenfall. Das sind die Zinsen, die fortlaufend hinabträufeln in die Kapitalien, welche beständig anschwellen. Man hört ordentlich, wie sie wachsen die Reichtümer der Reichen. Dazwischen das leise Schluchzen der Armut. Manchmal auch klirrt etwas, wie ein Messer, das gewetzt wird.“
Eigentlich müsste man jetzt nichts mehr sagen, doch meine Rede beginnt an dieser Stelle. Ich möchte darauf verweisen, dass der Akademische Senat in Reihe unausgesetzt und auch unter erhöhtem Druck des politischen Senats stets zum Ausdruck gebracht hat, mehrheitlich und eindeutig, dass er Studiengebühren ablehnt. (Beifall aus dem Publikum) Darüber hinaus spricht der Akademische Senat der Universität Hamburg sich für eine bedarfsgerechte und öffentlich ausreichende Studienfinanzierung aus. (Beifall aus dem Publikum) Von dieser Position her, die auch übrigens mehrheitlich von der Universität getragen wird und auch in einer größeren Urabstimmung der Studierenden zum Ausdruck gekommen ist, ist dieses Gesetz eigentlich rundum schlichtweg abzulehnen. (Beifall aus dem Publikum) Insofern möchte ich Sie auffordern, alles Vernünftige und Ihnen Mögliche zu tun, dieses Gesetz zu stoppen. Warum? Genannt werden in der Begründung für dieses Gesetz in wesentlicher Weise drei Punkte. Das sei erstens der Lenkungsaspekt, zweitens die finanziellen Mehreinnahmen und drittens, dass die Gerechtigkeit nicht Schaden nehme darunter.
Zur Lenkung: Die Lenkung, darauf ist in der Expertenanhörung vor dem Ausschuss schon hingewiesen worden, führt ins Abseits. Warum führt sie ins Abseits? Weil der Mensch, der Studierende, zu einer Ware gemacht werden soll, die dann Kunde genannt wird. Für diese Ware, die eigentlich Kunde ist, und der Kunde die Ware ist, sollen 500 € im Semester gezahlt werden. Daraufhin soll der Studierende sich so veredeln in so kurzer Zeit und so brav und so hechelnd, dass er dann auch gut sich verdingen kann auf einem Arbeitsmarkt, der das gar nicht hergibt. Und insofern ist dieser Lenkungsaspekt ein sehr irriger Aspekt und er soll dazu führen, dass Wissenschaft eine Wissenschaft just in time wird. Just in time heißt auch, bestimmten Konjunkturen oder Konjunktürchen hinterher zu jagen und sie ökonomischen Zwecken pur unterzuordnen. Dabei nimmt die Wissenschaft Schaden. Sie nimmt Schaden deshalb, weil lange Kulturen, Traditionen, gewonnene Erkenntnisse, Erfahrungen und der Maßstab der Humanität darunter hinweggetrampelt werden.
Der finanzielle Aspekt, der damit versprochen wird, ist ein Witz, mit Verlaub. Es wird gesagt, dass die Einnahmen der Universität sich verbessern würden. Lassen wir mal die Surroundings weg von Wirtschafts- und Sozialpolitik, Steuerpolitik und alledem. Schon allein im Detail offenbart sich jetzt, dass wohl von der Universität oder von den Hochschulen Ausfallbürgschaften für nicht zurückzuzahlende Kredite eingefordert werden, die Universität beispielsweise jetzt schon anfangen muss, für diese Ausfallbürgschaft anzusparen, das heißt aus den ohnehin schon zu knappen Mitteln Rücklagen bilden muss, mit denen sie dann so eine Ausfallbürgschaft leisten könnte. Was heißt das? Es geht zu Ungunsten von Forschung und Lehre und Studium, was ja eigentlich durch die Einnahmen von Studiengebühren verbessert werden soll. Das heißt, schon bevor ein Gesetz verabschiedet wird zur Erhebung von Studiengebühren – was dazu führen soll, dass Forschung, Lehre und Studium verbessert werden, marginal, vermutlich im Idealfall sogar – wirkt der Durchschlagseffekt des Gesetzes so negativ, dass verschlechtert wird, was verbessert werden soll bzw. versprochen wird zu verbessern. (Beifall aus dem Publikum) Also sie richten jetzt schon Schaden an.
Zur Gerechtigkeit: Ein alter menschlicher Begriff. Aber wie soll man Gerechtigkeit hier alleine durch Banken herstellen? Das ist ein Widerspruch in sich. Und deswegen wird auch viel gesäuselt und viel erzählt davon, dass man doch die Kredite irgendwie zurückzahlen könne. Man beginnt erstmal mit einem Eingangszinssatz von mindestens 5 Prozent, alles Weitere regeln nachfolgende Gesetze oder die Konjunktur. Insofern, was diese drei Aspekte betrifft, auch im Konkreten und im Einzelnen, ist dieses Gesetz rundum abzulehnen, aber eben zum Schluss auch noch aus einem ganz prinzipiellen Grund.
Die Erhebung von Studiengebühren entspricht, sofern die Bürgerschaft dieses Gesetz verabschieden sollte, einem negativen Zivilisationsbruch. Deshalb einem negativen Zivilisationsbruch, weil gute und sehr gute Erfahrungen in der Öffnung der Hochschulen, in der breiten Partizipation der Bevölkerung an wissenschaftlicher Bildung mit dem Wegfall von Studiengebühren seit Beginn der Siebzigerjahre gemacht wurden. Und insofern entspricht selbstverständlich die Erhebung von Studiengebühren der Gesamtpolitik dieses Senats. Denn mit der Inthronisierung durch Herrn Schill, mit einer gewissen stärkeren polizeilichen Präsenz, mit sehr stark ökonomisch treibenden Wirtschaftsclustern, die sich wachsende Stadt nennen, mit einem Tamm-Museum, was den Militarier auch noch feiert, und in Bezug auf die Drogenpolitik macht dieser Senat kein besonders gutes Gesicht für die Mehrheit der Bevölkerung dieser Stadt. (Beifall aus dem Publikum) Und mag die Erhebung oder der Wille zur Erhebung von Studiengebühren auch noch so technisch und noch so smart daherkommen, diese Maßnahme reiht sich ein in die übrigen Cluster. Gutes Singen. Dankeschön. (Beifall aus dem Publikum)