Christian Sauerbeck, Fachschaftsrat Sinologie

Dieses Gesetz, das euphemistischerweise Studienfinanzierungsgesetz heißt, wird ja vor allen Dingen damit begründet, dass damit mehr Geld zu den Hochschulen käme. Ich möchte an dieser Stelle den Wissenschaftsausschuss der Bürgerschaft darauf hinweisen, dass es dafür einfachere Wege gibt, die im Übrigen auch besser sind. Zum Beispiel hat die Stadt Hamburg einen Haushalt. Den kann sie dafür einsetzen, militaristische Museen zu fördern oder eine HafenCity zu bauen samt U-Bahn und was nicht alles noch dazu gehört. Man könnte das aber auch einsetzen, um Bildung und Wissenschaft zu finanzieren in dem Umfang, dass sie insofern bedarfsgerecht finanziert sind, als es dem Bedarf derer entspricht, die dieser Bildung und Wissenschaft wirklich sinnvollerweise bedürfen und nicht irgendwelchen Wirtschaftsstandorten bzw. konkret gesprochen den Konzernen. (Beifall aus dem Publikum) Der Finanzierungsaspekt ist in diesem Gesetz der einzige Grund, der genannt wird, um Studiengebühren einzuführen. Es kommt irgendwo noch was von Lenkungseffekt, das wird aber nicht mal deutlich gemacht, das muss die Handelskammer machen. Dazu komme ich später noch. Dass die Universität unterfinanziert wird, ist ein großes Problem und das muss auch geändert werden, aber wie gesagt nicht durch Studiengebühren. Sondern entscheidend ist, dass bei dieser Debatte rauskommt: Wem soll ein Studium nützen?

Auf die Idee, dass Studiengebühren auch nur den Hauch einer sozialen Gerechtigkeit an sich hätten, kommt man eigentlich nur, wenn man meint, dass sich aus dem Studium vor allem ein individueller Vorteil ergibt, sprich: Ich investiere in mich selbst, erhöhe meinen eigenen Verkaufswert auf dem Arbeitsmarkt und dafür ist es dann auch gerecht – weil ich dann später mehr verdiene – dass ich auch mehr bezahle für das Studium. Dazu muss man erst mal festhalten, dass Wissenschaft und gerade Hochschulbildung einen gesellschaftlichen Wert haben, der weit darüber hinausgeht, was ich später damit verdiene. (Beifall aus dem Publikum) Sie können sich ja vielleicht in der Bürgerschaft mal von dem Gesetz lösen und darüber debattieren, was Sie als Menschen, Hamburg als Stadt, so wären ohne Wissenschaft, ohne Kultur und all solche Sperenzchen. Also ein reiner Handelsstandort, glaube ich, wäre für die meisten von uns nicht sehr attraktiv.

Als zweites, denke ich, liegt auf der Hand, dass vor allen Dingen Unternehmen, die später Menschen einstellen, die studiert haben, daraus einen großen Nutzen ziehen. Denn das sind die tatsächlichen Nutznießer dieser Qualifikationen, die man sich im Studium aneignen kann, zumindest des Aspektes dieser Bildung, der als eine Arbeitsmarktqualifikation gewertet werden kann. Darum würde ich sagen, liegt es auf der Hand, dass man diese Unternehmen durch Steuern, die sich an ihren Profiten orientieren, an der Hochschulfinanzierung beteiligen könnte. (Beifall aus dem Publikum) Das wird aber nicht gemacht, sondern Airbus ist gemeinnützig, weil der Bau so schöne Arbeitsplätze schafft, und Steuern werden von Unternehmen, wenn überhaupt, dann in viel zu geringem Maße erhoben. Stattdessen wird sozusagen eine Umverteilung von unten nach oben betrieben. Und der dritte Teil dessen, wo Studiengebühren dann irgendjemandem zugute kommen, mag evtl. tatsächlich in dem Punkt liegen, dass ich später mehr verdiene, wenn ich einen tollen Abschluss mache. Aber dann möchte ich daran erinnern, dass es immer noch ein progressives Einkommenssteuersystem gibt, und wenn das nicht gerecht gestaltet ist, dann muss man das Steuersystem gerecht gestalten. Aber dann hilft es nichts, irgendwie Gebühren einzuführen, sondern dann muss man grundsätzlich die soziale Ungerechtigkeit in dem ganzen Steuersystem beheben.

Also die Finanzierung als Argument zu nehmen dafür, Studiengebühren einzuführen, ist vollkommen abwegig. Es gibt dafür einfach keinen positiven Grund. Insofern sind auch alle Modelle, wo irgendwie nachgelagerte Studiengebühren gezahlt werden, oder die erst ab einem bestimmten Einkommen zurückzuzahlen sind, oder die nicht ganz so viele Zinsen kosten, vollkommen obsolet und überflüssig und müssen überhaupt nicht weiter diskutiert werden. Genau daran macht aber dieses Gesetz sich seinen Spaß. Es kommt ja auch schon in der allgemeinen Begründung in Punkt die Legitimation: das sind ja nur 500 €, das ist nicht so schlimm, dass ist für alle kein Problem, wenn doch, dann gibt es da Kredite und Ausnahmen. Also wird gesagt, es ist irgendwie offenbar doch ein Problem für viele. Und ansonsten gibt es dann noch diese ideologische Rechtfertigung von wegen, was weiß ich, die Krankenschwester solle nicht dem Sohn des Chefarztes sein Zahnmedizinstudium finanzieren und so. Ich glaube, das habe ich vorhin ausreichend zurückgewiesen.
Also was ist der Kern der Debatte? Die Hamburger Handelskammer meint dazu 1999 sinngmäß: Kostenbeiträge sollen nicht in erster Linie als Finanzierungsinstrument, sondern als Investitionsmittel verstanden werden. Als materielles Element erhöhen sie die Rationalität der Studierenden im Umgang mit ihrem Studienfach. Steht eigenes Geld auf dem Spiel, werden sich die Studierenden in ihren Entscheidungen stärker an „Vernunft“erwägungen orientieren. Bereits vor dem Studium werden sie mehr Zeit investieren, um ihre Studienrichtung zu wählen, und nach Aufnahme des Studiums werden sie einen möglichst schnellen Abschluss anstreben.

Genau dafür sind Studiengebühren da. Sie sind aber nur aus Sicht derer, die die Handelskammer vertritt, in diesem Zusammenhang sinnvoll. Aus wissenschaftlicher Sicht sind diese Steuerungs-, oder von Dräger Lenkungseffekte genannt, ziemlich verheerend. Dadurch, dass Bildung zur Ware definiert wird, soll ein Kunden- und Dienstleisterverhältnis zwischen den jetzigen Hochschulmitgliedern entstehen. Das hat nicht nur die Folge, dass die kooperative Weiterentwicklung von dem, was die Hochschule sein soll und was die Inhalte des Studiums sind, trockengelegt wird, sondern darüber hinaus wird sich das nach meinen Befürchtungen ganz konkret im Studierverhalten niederschlagen. Es ist ja nicht so, dass man als Kunde besonders gute Rechte in der Mitbestimmung hätte, also sie können ja mal versuchen, im Supermarkt zu sagen, ich bin hier der Kunde und ich bestimme jetzt mit Ihnen, Herr Filialleiter, über das Sortiment. Das wird weniger gut klappen, als wir das jetzt gerade in den Gremien der Universität machen. (Beifall aus dem Publikum) Der finanzielle Druck auf die Studierenden, der von Handelskammerseite deutlich gewollt ist und den auch die Bertelsmann-Stiftung mit ihrem Centrum für Hochschulentwicklung zum Beispiel deutlich propagiert, soll dahin führen, dass Studierende möglichst einen schnellen Abschluss anstreben. Das wird dazu führen, dass die Studiengänge auch immer mehr inhaltlich verflachen und immer mehr auf Abschluss und auf die reine Berufsorientierung orientiert sind. Damit geht aber alles koppheister, was eigentlich der andere Nutzen von Hochschulen ist, nämlich der gesamtgesellschaftliche, und das ist schon ein Problem. Zweitens ist das nicht nur der Inhalt der Studiengänge, sondern das wird auch das Studienangebot betreffen. Wenn Studierende Geld für ihr Studium bezahlen müssen und erwarten müssen, dass sie eines Tages da ein Return of Investment realisieren, dann haben sie nicht mehr die freie Wahl sich zu entscheiden, was sie gerne studieren wollen, was sie für gesellschaftlich für sinnvoll halten, was ihnen selber Spaß macht oder so was, sondern dann werden sie sich daran orientieren müssen, welches Studium eine halbwegs gute Rendite bringt. Das wird dazu führen, dass die Vielfalt der Fächer erheblich eingeschränkt wird, wie auch deren Tiefe, weil sich alles um die Berufsorientierung drehen wird.

Insofern ist das mit den Studiengebühren aus menschlicher Sicht abwegig und äußerst schädlich. Aus Sicht von bestimmten Unternehmen sind sie wünschenswert. Dann frage ich mich aber, ob Sie die Handelskammer sind und von Unternehmen gewählt wurden oder ob Sie die Bürgerschaft sind und von Bürgern gewählt wurden. (Beifall aus dem Publikum) Also man kann seine Kritik am Bürgerlichen haben, aber ich finde das schon mal eine wesentliche Verbesserung gegenüber der Idee, man müsse der Handelskammer dienen. Insofern, die Gebührenfreiheit des Studiums und die bedarfsgerechte, wirklich bedarfsgerechte öffentliche Finanzierung der Hochschulen sind unbedingte Voraussetzungen dafür, dass an den Hochschulen und dem Rest der Gesellschaft irgendetwas Sinnvolles passieren kann. Danke. (Beifall aus dem Publikum)