Jochen Rasch, Haushaltsausschuß des AS der Uni Hamburg:

Studiengebühren sind dekultivierend. Und das, was da dekultiviert werden soll - natürlich geht es da immer um den Menschen. Und das Menschenbild hinter Studiengebühren ist eins von dem technokratischen Aufsteigertypus, dessen Erfolg rechtfertigt, wie er zu diesem Aufstieg kam. Das mag auch in der Person des Senators, der diese Gebühren einführt, repräsentiert sein. Das geht davon aus, dass der Mensch sehr gerne unter sich jemanden hätte, nur über sich niemanden gerne hat. Dass darüber diese Leute mit den 370 Milliarden Euro in den Kriegskassen seien, das wird dabei hingenommen. Das sei unabänderlich, das hätte das Ende der Geschichte besiegelt, das sei nun mal so, damit müsse man sich abfinden. Aber das Treten nach unten, das wird damit massiv propagiert. Dass man sich durchsetzen möge, durchboxen, durchhangeln und immer den Anspruch darauf habe, dass andere für einen knechten, schuften, z.B. die Universität bereitstellen, [...] dass alle irgendwie Service für einen leisten sollen. Diese Kultur des Gebührenzahlens, des Gebens und Nehmens, des Tauschens, bestätigt sich immer wieder selbst daraus, dass nachher irgendwie jemand oben steht und sagt: Ich hatte Erfolg damit und deshalb ist es legitim. Und was damit an Systembruch realisiert wird - weshalb ja auch jeder Befreiungstatbestand, wie wir auf der letzten Sitzung dieses Ausschusses erfahren haben, systemwidrig sei - was also an Systembruch damit realisiert werden soll, ist das Folgende. Heribert Prantl könnte man da zitieren, dass zumindest angestrebt war mit den Reformen der Siebzieger Jahre, wie der sozialen Öffnung der Hochschulen, dass der Mensch durch die Sozialpolitik Bürger werde, dass er also aktives Subjekt der Demokratie und demokratischer Verhältnisse sein möge. Und davon entfernt man sich immer mehr, wenn die Menschen zueinander verhetzt werden, wenn sie nur noch auf ihren eigenen Vorteil starren und aufs Durchkommen, aufs Durchrennen durch die Universität. Dann werden beide positiven Traditionen dieser Stadt damit negiert und konterkariert.

Sagen wir mal so, sie sind nicht ungebrochen, zumindest die eine, nicht ungebrochen positiv. Aber nehmen wir mal das mit dem Bürgertum dieser Stadt, das nicht nur Profite gemacht hat und das Kolonialinstitut gegründet hat, woraus die Universität hervorgegangen ist – das muss zur Korrektheit schon angemerkt sein. Sondern wo es, sicher auch unter dem Druck der anderen Seite, der Arbeiterbewegung, immer jedenfalls in positiven Teilen darum ging, dass der Mensch doch gleiche Rechte haben möge vor dem Gesetz, dass er sich entfalten möge, dass er den Zugang zu Kultur und Teilhabe an der Gesellschaft erlangen und zu Aufklärung und Bildung, zu einem Verständnis von sich und anderen, zu einem Verständnis der Natur und der Welt, die ihn so umgibt, gelangen möge. Und wir wissen, dass dies zuerst, wogegen das Bürgertum sich ja auch sehr fortschrittlich gewendet hat, durch das Bildungsprivileg des Adels begrenzt war. Nun gut, das mit dem Adel, das haben wir zwar noch im Titel des Herrn Bürgermeister, aber ich meine, er ist eher Neoliberaler als Adliger.

Und die zweite Tradition dieser Stadt, die ihr ein Gepräge gegeben hat, das ist die Arbeiterbewegung. Daraus kommt der Anspruch auf soziale Gleichheit. Und dass der Mensch natürlich nicht nur, aber eben auch und zuvörderst erst mal auch gute soziale Bedingungen haben muss, nämlich gleiche Bedingungen. Davon sind wir noch ein ganzes Stück entfernt. Dazu gehört aber dann natürlich, das ist in den Backsteingebäuden dieser Stadt ja manifestiert, der Anspruch, dass man ein Dach über'm Kopf haben möge angesichts dessen, was so gesellschaftliche Entwicklung, also dessen, was möglich ist. Auch ein gutes Wohnen ist möglich, und dass dann eben auch entsprechende Infrastruktur und alles mögliche dazu kommt in dieser Stadt, die für die Menschen da sein möge.

Und wenn wir diesen Wohlstand erst mal haben, was vielleicht ein etwas beschränktes Bild auf die Arbeiterbewegung ist, dann ging es ihr doch von Anfang an auch, weil sie nämlich aus den Bildungsvereinen entstanden ist, um die Entfaltung des Menschen. Das heißt, dass während der Mensch zunehmend weniger überhaupt noch unmittelbar produzieren muss, am Fließband oder so, doch ganz wesentlich Politik, Kultur, Bildung, das Verständnis von sich und anderen, das wesentlich Prägende sein soll – die Vermenschlichung des Menschen. Daran zu hindern, dass man das kooperativ sich aneignet, dafür sind diese Studiengebühren da. Und stattdessen soll man scheinbar immer im eigenen Interesse handeln und richtet sich dann trotzdem letztendlich nur nach dem, was der Arbeitsmarkt, also sprich die Besitzer von diesen 370 Milliarden in Kriegskassen von einem abverlangen. Und da kommt nichts mehr davon vor, was in unserer Stadt doch so wesentliche positive Ansätze dessen sind, was eigentlich an Kultur oder Kulturellem aufzugreifen wäre. Darum muss es eigentlich gehen. Was dann auch heißt, dass nicht Bezahlstudium und Gehetze und Gedrängel und Gerenne und in der Mensa schnell das Essen reinziehen, schnell ins Seminar und hechel, hechel zur Buchhandlung noch ein Buch kaufen und zack noch zum Job und nach Hause und ab ins Bett fallen Sinn und Inhalt des Studiums sein möge. Sondern dass es um Muße, sich Zeit nehmen zum Nachdenken, Politik mit gestalten und dafür reflektieren, mit anderen diskutieren, sich beteiligen an der Entwicklung der Gesellschaft und auf Verbesserungen hin orientieren, dafür die Kooperation entwickeln – dass das der Sinn und Inhalt des Studiums werden möge, und dafür muss es auch gebührenfrei sein. Und noch mal so ein ganz kleiner Hinweis, was erreichtes Niveau trotz dessen ist, dass es sich hierbei um einen kapitalistischen Staat handelt. Dass nämlich in den Siebzigerjahren etwa 70 Prozent der Studierenden, als das BAföG eingeführt wurde, dieses als Vollzuschuss nicht rückzahlbar aus staatlichen Mitteln erhalten haben, 70 Prozent der Studierenden. Und damals war das BAföG zwar längst nicht so hoch, wie man sich das erträumt hatte, aber jedenfalls war es von einer Höhe, die deutlich mehr am Bedarf orientiert war, als das heute der Fall ist. (Beifall aus dem Publikum)